Wie Village Media mit KI lokale Mediendörfer baut
Das kanadische Modell Village Media ist ein lebendiger Beweis dafür, dass funktionierender Lokaljournalismus nicht voreilig abgeschrieben werden sollte
Als Meta im August 2023 damit begann, Medieninhalte von Facebook zu verbannen, hatte Village Media plötzlich ein riesiges Problem. Das kanadische Medienunternehmen betreibt eine Kette von werbefinanzierten lokalen Websites und war für das Wachstum auf Facebook angewiesen. Zudem waren die Kanadier nachrichtenmüde: Covid war vorbei und Trump war noch keine Bedrohung.
Fast forward knapp zwei Jahre später: Village Media ist profitabel, gut gerüstet für die lokale Medienzukunft und expandiert ständig in neue lokale Märkte. Möglich machen das vor allem der Einsatz von KI und ein Konzept von Lokaljournalismus, das die Welt wieder zum Dorf und den lokalen Marktplatz wieder zum Mittelpunkt von Gesprächen macht.
Village Media startete vor elf Jahren mit einer einzigen lokalen Nachrichtenseite in Sault Ste. Marie, eine Stadt mit 75.000 Einwohnern an der Grenze zu den USA in der kanadischen Provinz Ontario. Inzwischen betreibt das Unternehmen 29 werbefinanzierte lokale Nachrichtenseiten in Ontario, vier weitere in Kanada und den USA und eine in Nigeria.
Was Village Media einzigartig macht, ist sein neues Projekt Spaces, das nach zwei Jahren Entwicklungszeit in November 2024 in Sault Ste Marie startete. Nach zwei Tagen hatte das neue Netzwerk schon genauso viele Seitenaufrufe und dreimal soviel Engagement erzeugt wie eine durchschnittliche lokale Website von Village Media beim Start in einem neuen Markt.
Spaces ist wie ein Kreuzung zwischen Reddit-Foren, Facebook-Gruppen und dem Nachbarschafts-Netzwerk Nextdoor. Es geht nicht darum Leuten, sondern Themen zu folgen. In diversen Foren geben sich Bürger Tipps zum Anlegen eines Gemüsegartens, zum Bau eines Schuppens oder wo es kostenloses Feuerholz oder die besten Fahrradwege für Kinder gibt. Die Foren sind moderiert und weit überwiegend ist der Ton in den Foren freundlich und konstruktiv. Inzwischen gibt es zehn dieser Spaces in Ontario, in denen Village Media das Konzept vor dem geplanten Rollout auf weitere Märkte mit Nutzerfeedback und mit Hilfe von Fokusgruppen optimiert.
Jeff Elgie (links) auf einem Local News Panel beim IJF, rechtes Bild: Richard Gingras
“Wir haben das geschafft, weil wir als vertrauenswürdiges Lokalmedium mit den Communities Beziehungen aufgebaut haben”, erklärte Village Media CEO Jeff Elgie beim International Journalism Festival in Perugia. “Die Leute spüren, dass sich dieser virtuelle Ort anders und positiv anfühlt und die Community stärkt.”
Davon ist auch Richard Gingras, Googles Vice President News, überzeugt. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats von Village Media und glaubt, dass die Rückbesinnung auf das Prinzip des lokalen Marktplatzes als Ort für den Austausch von Informationen, Meinungen und Waren ein Modell für funktionierenden und profitablen Lokaljournalismus ist. “Wir verstehen uns nicht mehr als ein reines Medienunternehmen, sondern als ‘Community Impact Organization’, mit dem Ziel möglichst viele lokale Communities mit unserem Model zu stärken”, erzählte mir Richard Gingras am Rande der Konferenz in Perugia.
Das Kerngeschäft von Village Media ist nach wie vor klassischer werbefinanzierter Lokaljournalismus, wobei 70 Prozent der Einnahmen aus lokaler Werbung stammen. Jeff Elgie glaubt, dass „das digitale Werbegeschäft zumindest auf lokaler Ebene, mit dem reinen Verkauf von Display-Anzeigen nicht funktioniert.“ Village Media setzt deshalb auf eine diverse Palette von Display-, Newsletter- und Video-Werbung, eigener Marktforschung, gesponserten Inhalte und ein „Community Leaders Program“ für gesponserten Journalismus.
Lokale werbetreibende Unternehmen können außerdem ein „Community Code“-Produkt abonnieren, das Unternehmensverzeichnisse, Unternehmensprofile und Kleinanzeigen enthält. Ein spezielles Produkt namens „Goldmine“ ermöglicht es lokalen Unternehmen, über ein KI-Dashboard mit integriertem Reporting Sales, Jobs und Events anzukündigen.
Das gleiche auf lokale Werbekunden fokussierte Prinzip wendet Village Media auch für Spaces an. Statt die üblichen programmatischen Werbung mit Zielgruppen-Targeting, die viele Nutzer nervt, spricht das Unternehmen lieber lokale Geschäfte an, ob sie ein Forum sponsern wollen, z.B. ein Gartenbauunternehmen für ein Gärtner-Forum oder einen Fahrradladen für Radforum. Solche Werbung nervt nicht, weil lokale Unternehmen an den Gesprächen teilnehmen und wertvollen Rat geben können.
Was hat das alles mit KI zu tun? Die Projekte von Village Media sind von KI durchdrungen und wären anders auch gar nicht skalierbar. Außer Tools für den redaktionellen Workflow (Zusammenfassungen, Textoptimierung, Tagging, etc.) hat Village Media hat mehrere innovative KI-gestützte Tools entwickelt, die den Community-Fokus stärken:
Umfrageplattform: liest Artikel und schlägt relevante Community-Umfragen vor, die in den Inhalt integriert werden können
Kommentar-Engine: scannt Artikel scannt und schlägt Kommentare vor, um die Community in einen konstruktiven Dialog über das Thema einzubinden
Monitoring und Filter: Informationen aus kommunalen Quellen wie Schulbehörden, Polizeidienststellen, Stadtverwaltungen, Gesundheitsämtern und Krankenhäusern werden überwacht, nach lokaler Relevanz und Nachrichtenwert gefiltert an Redakteure weitergeleitet
Und nicht zuletzt: Village Media lizensiert seine hauseigene KI-Technologie an etwa 120 Verlage in ganz Kanada und in den USA und zeigt damit, dass sogar lokale Medienunternehmen den großen Techplattformen wie Meta Paroli bieten können.