Wie URL Media KI einsetzt, um lokale Communities zu stärken
Case Study: Ein innovatives Netzwerk von kleinen US-Lokalmedien von und für "Black and Brown" Communities erzielt mit Technologie große Hebelwirkung
URL Media steht für „uplift, respect and love“. Es ist ein digitales Netzwerk von 35 Community-Medien, die untereinander Werbung, Inhalte und technologisches Know-How austauschen. Gemeinsam können die lokalen Websites, Newsletter und Lokalradiostationen von URL Media in New York, New Jersey und Philadelphia eine Fülle von lokale Informationen und Dienstleistungen für Bürger anbieten, die sie einzeln kaum finanzieren könnten. Das dezentrale Unternehmen URL Media wurde vor vier Jahren von Mitra Kalita und Sara Lomax-Reese als Reaktion auf die Black Lives Matter Proteste gegründet. Die Chefrunde Study Tour (#CRUSA) traf Mitra Kalita in der vergangenen Woche in New York. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand vor allem ein Thema: Wie setzt URL Media Künstliche Intelligenz ein?
Laut Mitra Kalita spielt KI in mehreren Bereichen eine wichtige Rolle. Mit KI kann das kollaborative Netzwerk Inhalte anreichern und mehr davon produzieren. Und KI ermöglicht den Mitgliedern in diesem Verbund, weitaus innovativer aufzutreten als bei kleinen Community-Medien normalerweise üblich. “Ich glaube, dass einige der größten journalistischen Innovationen, was KI betrifft, derzeit von kleinen Publisher stammen”, sagt Kalita. Wichtig seien allerdings Kollaboration und der Netzwerkgedanke, damit möglichst viele kleine Publisher von Best Practices profitieren können.
Zehn Mal soviele Videos produzieren
Mit dem KI-gestützten Video-Dienst Rizzle haben die lokalen Medien im URL Media Verbund ihren Video-Output um das Zehnfache erhöht (das Startup Rizzle stand übrigens 2024 bei der #CRUSA San Francisco / Silicon Valley auf dem Programm). Das Tool lernt die Ausdrucksweisen und Stilrichtungen von Reportern und Redakteuren und verwandelt geschriebene Texte automatisiert in vertonte und animierte Social Media Videoclips.
Mehrsprachige Inhalte anbieten
Das Netzwerk nutzt KI, um sein multilinguales Publikum in mehreren Sprachen zu bedienen. Vor allem bei Beiträgen, die sich an Hispanics und Bengali sprechende südasiatische Communities richten, geht das Angebot über reine 1:1 Übersetzungen. hinaus. Die Texte werden jeweils von einen Native Speaker und unterstützt von KI gezielt so formuliert, dass sie in den Communities wichtige Informationen hervorheben und den richtigen Ton treffen.
Technisches Know-How austauschen
Zur Kollaboration im Netzwerk gehören auch monatliche Treffen, bei denen fünf kleinere Publisher ihre KI-Strategien untereinander austauschen und voneinander lernen, welche Tools für welchen Einsatz geeignet sind und was die Do’s und Don’ts aus diesen Erfahrungen sind. Auf diese Weise werden auch Mini-Redaktionen und Solo-Medienmacher zu Multiplikatoren für Innovation.
Unterstützung von Community-spezifischen Diensten
Mehrere Medien im URL Media Netzwerk setzen KI auf kreative Weise ein:
Houston Defender, ein digitales Medien-Netzwerk der Black Community in Houston und der Region in Südtexas, nutzt KI um standardisierte Beiträge wie Sportberichte oder Nachrufe zu produzieren. (Vor rund zehn Jahren setzten die ersten Pioniere wie die AP, das Wall Street Journal und Bloomberg die Technologie ein, inzwischen sind die Tools so preiswert und leicht zu bedienen, dass auch Community-Medien in den USA davon profitieren).
Das Netzwerk Jersey Bee in New Jersey veröffentlicht mehrere Dutzend Newsletter pro Woche und nutzt dafür die Tools ChatGPT, Zapier und AirTable sowie den Scraper-Dienst Gov Wire. Letzeres ist ein Tool, das Rathaussitzungen und öffentliche Meetings aufzeichnet und automatisiert Transkripte, Zusammenfassungen, Podcasts ( und bald auch 60- 90sekündige Videos für Instagram oder TikTok) generiert. Jersey Bee Reporter können so von zahlreichen und teilweise stundenlangen Versammlungen und Verhandlungen berichten, die sie unmöglich alle selbst besuchen könnten.
KI-Tools zum Einsatz in Communities entwickeln
URL Media kollaboriert mit Tech-Entwicklern in den Communities, damit diese befähigt werden, auch eigenständig KI einzusetzen, zum Besipiel, um sich bei komplizierten Behördenvorgängen zurecht zu finden. So entstand zum Beispiel ein Tool, das es New Yorker Bürgern erleichtert, ihre Kinder in öffentlichen Schulen anzumelden. Die Websites für solche Alltagsbedürfnisse sind ohne Anpassungen vor allem für benachteiligten Communities häufig zu umständlich.
Business-Modell und Erlösquellen
Die Mission von URL Media ist gemeinwohl-orientiert, doch das Unternehmen finanziert sich überwiegend auf dem freien Markt. Das ist eine Strategie, die zum Beispiel auch Ken Doctor mit der lokalen Website Lookout verfolgt, weil es selbst in den spendenfreudigen USA einfach nicht genug Stiftungs- und Spendengelder gibt, um so viele Non-Profit-Medien zu fördern, wie nötig wären, um Nachrichtenwüsten zu füllen und benachteiligte Communities zu unterstützen.
Zurück zu URL Media: Die Erlösquellen sowohl für das Dachunternehmen URL Media als auch für den von ihr selbst betriebenen lokalen Newsletter Epicenter mit 35.000 Abonnenten im New Yorker Stadtteil Jackson Heights (Queens) sind laut Mitra Kalita zu ungefähr je einem Drittel:
Werbung: Überwiegend keine Werbebanner, sondern gesponserter Content z.B. für Finanzdienstleister, die sich an spezifische Nutzersegmente richten
B2B-Dienste: z.B. Datenanalysen für kommunale Dienstleister
Spenden und Stiftungsgelder
Neuerdings erschwert die Trump-Regierung mit ihrer Rückabwicklung von diversitäts-fördernden Maßnahmen (“anti-DEI”) und die instabile Wirtschaftslage diese Finanzierungsgrundlage. Mitra Kalita erwägt deshalb erstmals auch ein Abo- oder kostenpflichtiges Mitgliedschaftsmodell zur Finanzierung des Gesamtpakets. “Abo-Modellen habe ich jahrelang widerstanden, weil unsere Communities sich kostenpflichtige Medien nicht unbedingt leisten können”, sagt Kalita. “Doch vielleicht können sie eine zusätzliche Ebene in einer diversifizierten Erlösstrategie sein.”
Fazit: Warum ist dieser Case relevant?
Der Ansatz von URL Media demonstriert, wie kleinere Medienorganisationen KI nutzen können, nicht nur um innovativ zu sein, sondern auch um unter immer schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen ihr Überleben zu sichern. Der Fokus auf Unterstützung benachteiligter Minderheiten ist normalerweise eher schwierig auf dem freien Markt zu finanzieren, doch URL Media macht es möglich mit einem ausgewogene Business-Model und dem strategischen Einsatz von KI mit mehr Effizienz in den Produktionsabläufen. URL Media ist somit ein Vorzeigebeispiel dafür, wie Medienvielfalt auch unter schwierigen Bedingungen gestaltet werden kann.
Sie stehen noch am Anfang der Überlegungen, wie sie das am machen können ohne ihre Zielgruppe finanziell zu überfordern. Die Bereitschaft, für Medienabos zu zahlen, ist in den USA generell schwach ausgeprägt und selbst große und mittelgroße Tageszeitungen haben viel später als in Deutschland mit Paywalls begonnen. Ich denke es könnte durchaus auf ein Modell wie bei der taz hinauslaufen.
Danke für den interessanten Einblick. Was die Finazierung durch Nutzer:innen betrifft – hat URL Media ein freiwilliges Bezahlmodell erwogen? In Deutschland fährt die taz damit recht erfolgreich, (in den UK nutzt der Guardian dieses Modell). Bei der taz geht das über Einzelspenden weit hinaus, sehr viele Leute unterstützen regelmäßig freiwillig.